Vision und Aufgabe

„Damit die Menschen ein würdiges Leben im Einklang mit ihrer sozialen Umgebung und der Natur führen können, unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen, ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Glaubens oder ihrer politischen Ansichten.“

Diese Vision der Fundación Pueblo wurde bereits bei der Gründung der Stiftung in ihren Statuten niedergelegt (Artikel 4).

Armut und Ungleichheit in einem reichen Land

Was in Deutschland nach einem relativ selbstverständlichen Bekenntnis zur Chancengleichheit klingen mag, ist in Bolivien bis heute tagtäglich mit großen Herausforderungen verbunden. Ungeachtet des für viele seiner Einwohner erfreulichen Wirtschaftswachstums der letzten Jahre ist das Land im Inneren des Kontinentes weiterhin der mit Abstand ärmste Staat Südamerikas.

Bolivien ist zwar reich an menschlichen, natürlichen und kulturellen Schätzen, aber neben Brasilien das Land mit den größten Unterschieden zwischen Arm und Reich in Südamerika. Wer als Kind einer indigenen Mutter auf dem Land geboren wird, hat nur sehr wenig Möglichkeiten, eine solide Grundbildung zu erhalten, er wird als Erwachsener kaum ein menschenwürdiges Auskommen haben. Der Sohn aus städtischer Mittelschicht besitzt hingegen viel bessere Chancen. Bei fehlender Bildung und schlechten Zugangsmöglichkeiten zu Informationen sind die gesetzlichen Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung, die der plurinationale Staat bietet, kaum zu nutzen.

Konkrete Hilfe gegen Diskriminierung, für mehr Chancengleichheit

Die Fundación Pueblo hat sich zur Aufgabe gesetzt, über Armut, fehlende Chancengleichheit und Diskriminierung nicht nur nachzudenken, sondern konkrete Beiträge zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Mitmenschen in unserem Wirkungsgebiet in Bolivien zu leisten. Das bedeutet: Mehr junge Menschen in die Schule und zur Berufsausbildung zu holen anstatt in die Kinderarbeit; die Stellung indigener Frauen auf dem Lande durch neue Einkommensmöglichkeiten zu stärken; staatsbürgerliche Information zur Gemeindeentwicklung den Basisorganisationen auf dem Lande zugänglich zu machen; engagierten Landkreisräten konkrete Hilfe bei sinnvollen Entwicklungsprojekten zu geben.

Die Beiträge, die wir zur Bewältigung dieser Aufgabe leisten können, sind begrenzt und doch vielfältig. Sie beruhen auf den Brücken der Solidarität, die wir zwischen Menschen und Gruppen bauen können, in Bolivien und darüber hinaus. Das ist die erfahrene Köchin aus La Paz, die mit den Gastmüttern in Potosí ihre Geheimnisse gesunder und preiswerter Malzeiten teilt; das ist der junge Politologe von der Universität, der den Landkreisrat von der Wichtigkeit des Schulzugangs für alle überzeugt; das ist die Gemeinde in Bayern und die Gruppe in Niedersachsen, die Projekte zur Verbesserung der Lebensbedingungen im ländlichen Raum Boliviens mit ihren Spenden unterstützen.

Grundsätze unserer Arbeit

„Der Weg zum Abgrund ist mit guten Absichten gepflastert“, so lautet ein in Bolivien gern verwendetes Sprichwort. Das bedeutet: Der gute Wille allein ist nicht genug, um einen Vorsatz erfolgreich umzusetzen, Verstand gehört ebenso dazu. Dies gilt auch für viele Projekte in wohlhabenden Ländern wie Deutschland, doch umso mehr in einem anforderungsreichen Umfeld wie Bolivien, das geprägt ist von einer Vielfalt der Kulturen. Hier erzielt so manches wohlgemeinte Projekt nicht den erwünschten Erfolg.

Die Fundación Pueblo versucht aus dem reichen Erfahrungsschatz der Entwicklungsarbeit zu lernen, der dem Suchenden zugänglich ist. So haben wir aus den Fehlern und Erfolgen der Arbeit in einem interkulturellen Umfeld einige einfache Grundsätze abgeleitet, die wir in unserer Arbeit zu befolgen versuchen. Dazu gehören:

Kein Projekt ohne explizite Nachfrage der Zielgruppen. Wir initiieren Projekte nur, wenn wir gefragt werden. Wir betrachten dies als eine Mindestvoraussetzung, um das Interesse und die Partizipation der Zielgruppen am Projekt sicher zu stellen. So vermeiden wir, unsere eigenen Ideen – so gut sie auch sein mögen – den Projektbeteiligten überzustülpen.
Kein Projekt ohne einen substanziellen Eigenbeitrag der Projektbegünstigten. Nur wer ein zumindest kleines, aber spürbares Opfer bringt, eignet sich ein von uns gefördertes Projekt als eigenes an. Wir betrachten dies als eine Mindestvoraussetzung, um die Nachhaltigkeit der Projekte zu befördern. Die Form und Höhe des Eigenbeitrages hängt von den realen Möglichkeiten der Zielgruppe ab: Eine Gastmutter stellt ihr Haus für ein Schulkind aus der entlegenen Bauernschaft zur Verfügung, ein Landkreis stellt Haushaltsmittel für die Projektdurchführung in sein Budget ein.
Die Fundación Pueblo erwartet von ihren Mitarbeitern, dass sie nicht nur ihren guten Willen, sondern auch ihr Wissen in den Dienst der guten Sache stellen. Nicht jeder Projektantrag der Zielgruppen macht technisch, sozial oder wirtschaftlich Sinn. Wir versuchen, diese Aspekte im Vorfeld zu prüfen und mit den Projektbeteiligten zu besprechen, bevor wir Mittel unserer Förderer einsetzen.
Wann immer möglich werden die Vereinbarungen mit den Projektbeteiligten schriftlich festgelegt, um Ziele, Inhalte und Verantwortlichkeiten der Beteiligten als „Spielregeln“ der Zusammenarbeit klar zu legen. Das trägt zur Transparenz der Projekte bei und vermindert die Konflikte in der Projektdurchführung. Jede Gastmutter hat in unseren Schulzugangsprogrammen eine Vereinbarung mit uns und jedem Kind, das sie betreut; der teilnehmende Landkreis hat eine Vereinbarung über die Aufteilung der Projektverantwortlichkeiten und -kosten mit der Fundación Pueblo.
Über die Gesamtheit der Aktivitäten legt die Fundación Pueblo in ihren jährlichen Vollversammlungen am Sitz der Stiftung öffentlich Rechenschaft ab. Freunde und Förderer der Stiftung im Ausland erhalten einen detaillierten Jahresbericht in deutscher Sprache, der auch auf dieser Internetseite eingesehen werden kann [** link zu Jahres-Chaskis **]. Wer der Stiftung finanzielle Beiträge für ein Projekt anvertraut hat – seien es Zielgruppen oder Partnerorganisationen – hat Anspruch auf einen detaillierten Bericht über den sachgerechten Einsatz seiner Mittel.

Bei den meisten Projekten der Fundación Pueblo gehören partizipative Evaluierungen mit Vertretern aller Beteiligten am Jahresende zum festen Bestandteil des Arbeitspensums. Wir sind bemüht, Erfolge und Probleme der Projekte auch über längere Zeiträume hinweg zu verfolgen, wie z.B. in einer Hörerumfrage unseres Landfunkprogramms. In jedem Falle dient der Rückblick dazu, Lehren aus Vergangenem für Verbesserungen der laufenden Arbeit der Fundación Pueblo zu ziehen.

Schwerpunkte: Zugang zu Bildung und Staatsbürgerkunde

Zugang zu Bildung und Staatsbürgerkunde haben sich zu den Arbeitsschwerpunkten der Fundación Pueblo in den letzten Jahren entwickelt. In diesen Bereichen hat die Stiftung Kompetenzen entwickeln können, die sie nun landesweit in Bolivien – und auch darüber hinaus – in den Dienst Nachhaltiger Entwicklung stellen kann.

Zugang zu staatsbürgerlicher Information – Staatsbürgerkunde nützlich machen

Zugang zu staatsbürgerlicher Information ist entscheidend, um die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an öffentlichen Entscheidungsprozessen in Bolivien zu stärken und die Nachhaltigkeit von Projekten zu gewährleisten. Mit unserem Programm „Acceso Público“ (dt.: freier Zugang) tragen wir seit 2003 dazu bei, eine qualifizierte Debatte über Menschenrechte und Armutsbekämpfung voranzutreiben und die demokratischen Grundrechte benachteiligter Gruppen der bolivianischen Zivilgesellschaft zu stärken.

Zugang zu Grundbildung, die Arbeitsplätze auf dem Lande schafft

Um den besonders benachteiligten Kindern im ländlichen Raum den Abschluss einer vollständigen Grundbildung zu ermöglichen, hat Fundación Pueblo mit der„Schülerpension in Gastfamilien“ einen innovativen Weg aufzeigen können. Von den Vereinten Nationen wurde das Programm ausgezeichnet. Zugleich wird der Zugang zu Grundbildung mit dem Aufbau kleiner Dienstleistungsbetriebe auf kommunaler Ebene verbunden, die einen wichtigen Beitrag zur lokalen Wirtschaftsförderung auf dem Lande leisten. Hier erhalten indigene Frauen oft zum ersten Mal die Möglichkeit, durch eine sozial angesehene Tätigkeit als Gastmutter ein eigenes Einkommen zu erzielen, das Kaufkraft und Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten in der Gemeinde anregt.

Kinder und Frauen im Mittelpunkt

Neben den Kindern werden die Frauen auf dem Lande von den Projekten besonders begünstigt. Dies gilt sowohl für die „Schülerpension in Gastfamilien“ als auch für unser Berufsbildungsprogramm, das sich in den letzten Jahren ausschließlich an Mädchen und junge Frauen aus ländlichen Gebieten richtete. Unser Projekt zur Stärkung von Migrantinnen in El Alto akzentuiert Frauenförderung auch im Bereich Staatsbürgerkunde als ein Leitmotiv der Stiftungsarbeit.

Dort, wo wir mit unseren Projekten Schulzugang verbessern und neuen Einkommensmöglichkeiten für Landfrauen schaffen konnten, unterstützen wir auch weiterhin lokale Initiativen zur Gemeindeentwicklung in den sich anschließenden Bereichen, wie Ernährungssicherung und Verbesserung von Wohnraum.

Dabei verfolgt die Stiftung allerdings nicht mehr den thematisch weitgehend offenen Ansatz zur Gemeindeentwicklung – vom Wegebau und bis zur Tourismusförderung – der die Arbeit der Fundación Pueblo im ersten Jahrzehnt ihres Bestehens gekennzeichnet hatte. Nach einem selbstkritischen Rückblick auf die Erfahrungen der Gründerjahre hat die räumliche Spezialisierung der Stiftungsarbeit auf ihren Heimatlandkreis einer thematischen Schwerpunktsetzung Platz gemacht, in denen wir unsere guten Erfahrungen in den beiden Bereichen Schulzugang und Demokratieförderung in den Dienst vieler ländlicher Gemeinden Bolivien stellen können.

Fundación Pueblo 2024, La Paz.
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